Warum du deine Stimme wie ein Instrument beherrschen solltest

Warum du deine Stimme wie ein Instrument beherrschen solltest

Du hast es selbst gekonnt. Laut und kräftig hast du gezeigt. Hier bin ich. Mit deiner Stimme und deinem ganzen Körper warst du präsent.

Nur wenige Augenblicke nach deiner Geburt war sie zu hören – deine Stimme. Laut und kräftig.
Deine Stimme wurde dir also buchstäblich in die Wiege gelegt. Ein tolles Geschenk der Natur.

Behandelst du sie auch so? Als wertvolles Geschenk? Darf sie heute noch so kräftig zeigen, wer du bist? Dass du bist?

Doch deine Stimme ist mehr als ein Ausdruck deiner Selbst.

Deine Stimme entscheidet, was du beim Anderen bewirkst. Wie deine Worte ankommen.

Forscher streiten sich über die genauen Zahlen , wie viel Prozent der Sprechwirkung dem eigentlichen Stimmklang zukommen. Mal liest man 38 %, mal 21 %.

Viel wichtiger als die Frage nach der Prozentzahl ist:

Nutzt du schon das volle Wirkpotenzial deiner Stimme?

Heute (und in den folgenden Wochen) zeige ich dir, warum es so wichtig ist, dass du deine Stimme bewusst bespielen kannst wie ein Instrument. Lust auf diese Entdeckungsreise?

 

A) Deine Stimme wirkt

Unsere Stimme wirkt immer.

Ein Beispiel: Stell dir einen sehr muskulösen Mann vor. Jetzt beginnt er zu sprechen: Seine Stimme klingt sehr hoch, weich, mit viel Luft. Was assoziierst du?

Anhand des Stimmklanges assoziieren wir äußere Merkmale aber auch innere Gefühlszustände oder – noch schlimmer – ziehen Rückschlüsse auf Charaktereigenschaften.

Noch ein Test:

1. Was denkst du über jemanden, der ganz schnell oder ohne Pausen spricht? (z.B. ist hektisch, hat keine Zeit, hat Stress, will schnell fertig werden …

2. Was über jemanden, dessen Stimme heiser klingt? (z.B. ist krank und gehört ins Bett, hat zu viel geschrien, hat ein raues Leben, raucht, müsste besser für sich sorgen …)

Solche Assoziationen passieren selten bewusst, aber sie geschehen IMMER.

Dein Hörer kann gar nicht anders, als etwas über dich zu denken.

Was genau er denkt, kannst du von außen nicht wissen. Doch es gibt ein paar Tendenzen, die ich dir hier zeige.

Wichtig für dich zu wissen: mit deiner Stimme zeigst du dich. Immer. Was deine Hörer im Detail reininterpretieren, das hast du nicht in der Hand. Aber du gibst die Tendenz vor. Nicht nur mit der Stimme, aber auch.

Was genau kann der Hörer nun von dir erkennen?

 

Wir erkennen am Klang der Stimme äußerliche Merkmale:

 

1. Bist du Mann oder Frau?

Spätestens ab dem Stimmbruch unterscheidet sich der Stimmklang eines Mannes von dem einer Frau.

Das hat zunächst rein anatomische Gründe: Größe und Maße des Kehlkopfes von Mann und Frau unterscheiden sich.

Doch auch soziokulturell gibt es Unterschiede.

Schon 7-jährige Jungen benutzen (in unseren Breiten) ihre Stimme anders als gleichaltrige Mädchen. Sie reden viel monotoner als die Mädchen. Rein anatomisch gibt es aber keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in diesem Alter.

Das bedeutet bis zu diesem Alter haben sich Kinder schon die Stimmmuster von den Vertretern ihres Geschlechtes abgeschaut.

2. Wie alt bist du?

Wir alle haben ein Gespür dafür, wie alt die Stimme eines Menschen in etwa klingt.

Nicht auf das Jahr genau. Doch als Tendenz.

Stimmklang entsteht im Körper. So beeinflussen deine Schleimhäute, die Beweglichkeit von Muskeln und Knorpeln usw. deinen Stimmklang. Aber Achtung, wenn du rauchst. Laut Vivien Zuta werden Raucher um bis zu 10 Jahre älter geschätzt!

3. Wie groß bist du?

Unsere Stimme ist Ausdruck von Abläufen in unserem Körper. Kein Wunder also, dass wir aufgrund der Stimme Rückschlüsse auf äußere Merkmale ziehen können.

Die niederländische Forscherin Sarah Collins führte im Jahr 2000 eine Studie durch, in der 34 Männer Vokale auf Tonband sprachen. Frauen hörten sich diese Aufnahmen an und sollten die Männern nach Alter, Gewicht und Größe beurteilen.

Ergebnis: Alle drei Größen konnten vorausgesagt werden. Eine weitere Studie bestätigt diese Tendenz.

4. Bist du attraktiv?

In der gleichen Studie von Sarah Collins wurde auch nach Attraktivität gefragt. Dieser Zusammenhang ist am deutlichsten klar geworden:

Männer mit tiefer Stimme klingen für Frauen attraktiver.

5. Hast du als Frau gerade deine fruchtbaren Tage?

Ja, auch das lässt sich aus der Stimme von Frauen heraushören, so der Forscher Gordon Gallup.

Wie? Die Stimmen von Frauen klingen laut seiner Studie dann am attraktivsten. Macht aus evolutionärer Sicht ja auch Sinn.

2008 liess der Forscher Frauen in unterschiedlichen Phasen ihres Zyklus von 1 bis 10 zählen. Dies wurde aufgenommen und danach Männern und Frauen vorgespielt.

Resultat: unabhängig vom Geschlecht klangen die Frauen am attraktivsten, wenn sie sich in der fruchtbaren Phase befanden.

Spannend, oder?

 

Wir erkennen am Klang der Stimme innere Merkmale:

 

1. Stimme verrät Stimmung. Stimme verrät Fühlen.

Wenn du traurig bist, klingst du anders, als wenn du dich freust. Logisch. Doch warum ist das so?

Unser Hauptausatemmuskel – das Zwerchfell – ist mit dem Herzen verbunden.

Wenn wir zum Beispiel nervös sind und das Herz schneller schlägt, hat dies einen Einfluss auf das Zwerchfell. Das wiederum steuert die Qualität des Ausatemstroms. Unsere Stimme bilden wir mit diesem Ausatem. So überträgt sich die Nervosität auf hörbare Stimmkomponenten. (Was du gegen das Zittern in der Stimme zu kannst, erfährst du in einem der nächsten Beiträge.)

Warum wir das als Hörer dann so genau dechiffrieren können, liegt an den Spiegelneuronen.

Der italienische Arzt Giacomo Rizzolatti (Chef des Physiologischen Instituts der Universität Parma) hatte entdeckt, dass auch beim passiven Beobachten einer Handlung die Nervenzellen aktiviert werden, die diese Handlung steuern.

Das heißt: mein Gehirn macht genau das nach, was du gerade tust – auch wenn ich meine Muskeln nicht wie du benutze.

So können wir als Hörer also spüren, was der Sprecher fühlt.

Schön und erschreckend zugleich, oder?

Mich inspiriert es, gut auf meine Stimmung zu achten. Denn ich weiß ja, dass meine Hörer davon im wahrsten Sinne des Wortes etwas haben.

Für eine gute Stimmung bei sich selbst zu sorgen, ist damit schon eine der wichtigsten Stimmübungen überhaupt!

Und noch was: Manche meinen, dass man durch die Stimme auch auf den Charakter schließen kann.

Ich bin mir da selbst aber nicht sicher. Die meisten Stimmmuster sind erlernt und damit eine bloße Angewohnheit.

Andersherum gilt es aber sehr wohl. Menschen hören ein bestimmtes Sprech- und Stimmmuster und schon schließen sie auf bestimmte Charakterzüge.

Es lohnt sich also genau zu wissen, was du da so sendest.

 

2. Stimme verrät Gesundheit.

Eine schwache Stimme kann Ausdruck einer schwachen körperlichen Konstitution bzw. von Krankheit sein.

Forscher arbeiten seit einigen Jahren an Diagnoseinstrumenten, um  Erkrankungen wie ADHS, Depression oder Parkinson u.a. aufgrund des Stimmklangs schon frühzeitig zu diagnostizieren. Mehr dazu hier.

 

3. Stimme zeigt, wie wir etwas verstehen sollen

„du bist schön so wie du bist“ – eine Wortgruppe.

Beim Schreiben entscheiden die Satzzeichen darüber, wie das zu verstehen ist.

Fragezeichen Ausrufezeichen Punkt. Diese drei Varianten hast du.

Beim Sprechen übernimmt die Stimme diese Aufgabe. Sie zeigt: So ist der Satz zu verstehen.

so „du bist schön so wie du bist?“ = (Stimme am Ende nach oben)

oder

so: „du bist schön so wie du bist!“ = (Stimme am Ende nach unten)

Das war die einfache Variante. Komplexer wird es, wenn wir Humor oder z.B. gar Ironie in unser Sprechen einbringen.

Was passiert bei Ironie? Die Botschaft auf der Wortebene ist eine andere als die Botschaft auf Ebene von Stimmklang (und Körpersprache). Das heißt in der Fachsprache Inkongruenz.

Kongruent dagegen sind Aussagen, bei denen Wortebene und Stimmklang Hand in Hand gehen.

Unsere Stimme zeigt dem Hörer, wie er das, was ich sage, zu verstehen hat.

Wir senden als Botschaft immer mit: „glaub mir“ oder „glaub mir nicht“.

Wir sagen über die Stimme, ob etwas eine reine Sachinformation ist, ob wir an den Hörer eine Bitte äußern oder gar einen Befehl aussprechen.

 

4. Stimme deckt Lügen auf

Der Klang der Stimme (zusammen mit anderen sprecherischen Merkmalen) ist ein prima Indikator, um Lügen auf die Spur zu kommen.

Dass wir alle selbst mehrmals am Tag lügen (Studien sprechen von 2 bis 200 mal täglich) haben Forschungen schon vor einer Weile verraten.

Spannend für dich ist es wahrscheinlich, Lügen, die dich beeinflussen, auf die Spur zu kommen. Flunkert jemand mit den Preisen oder hat er wirklich so viel Erfahrung in diesem Bereich?

Wie genau erkennt man nun eine Lüge an der Stimme?

 

Lügenfalle 1: Dein Gesprächspartner redet anders als sonst
Dein Gesprächspartner redet langsamer/ schneller/ höher/ leiser als normal. Vor allem das Abweichen bezüglich Tonhöhe wird oft als Indiz für eine Lüge gesehen.

Dies alles kann Ausdruck einer höheren Spannung sein und damit ein Zeichen von möglichem Lügen.

Aber Achtung: dein Gesprächspartner könnte ja auch aus einem anderen Grund angespannt sein.

 

Lügenfalle 2: vermehrtes Räuspern
Lügen führt zu einer vermehrten Ausschüttung von Adrenalin, also einem Stresshormon. Das bewirkt im ersten Schritt vermehrte Speichelproduktion, später dann wird aber kein neuer Speichel nachproduziert. Der Mund fühlt sich trocken an.

Dieses Trockenheitsgefühl kann sich beim Lügenden darin äußern, dass er vermehrt räuspert.

Aber auch hier Achtung: Stresshormone werden auch bei Nervosität, Lampenfieber usw. ausgeschüttet! Das kennst du vielleicht sogar von dir selbst.

Räuspern heißt also nicht zwangsläufig „ich lüge“.

 

Lügenfalle 3: schnelleres Atemmuster
Menschen, die lügen, neigen dazu, ein schnelleres Atemmuster zu haben.

Hintergrund: Im Körper herrscht mehr Stress. Das führt zu schnellerem Herzschlag. Ein schnelleres Herz pumpt mehr Blut durch. Da im Blut Sauerstoff transportiert wird, muss mehr davon bereitgestellt werden. Die Lungen holen sich also mehr Luft.

Auch hier wieder Achtung: Der Stress kann andere Ursachen haben als eine Lüge!

Noch ein Hinweis:
Wenn du Lügner enttarnen willst, dann zieh bitte mehr als ein Zeichen heran. Achte auch auf Wortwahl, Körpersprache usw.

In diesem Buch und auch in diesem findest du mehr darüber. (Das ist KEIN Affiliate Link sondern einfach eine echte Empfehlung. Wenn du beim Buchhändler deiner Wahl ums Eck kaufst, tust du auch noch was Gutes.)

 

B) Deine Stimme bewirkt

Deine Stimme wirkt nicht nur auf Andere. Deine Stimme be-wirkt auch etwas bei Anderen.

Meist wie sie sich fühlen. In welche Stimmung sie geraten. Wie viel Energie und Aktionismus sie haben.

Nicht zu glauben? Hier ein paar Beispiele:

 

Deine Stimme bewirkt, wie Andere sich fühlen

Dass das geht, liegt wieder an den Spiegelneuronen. Du weißt noch? Die Bereiche in deinem Gehirn, die aktiv werden, auch wenn du nur zuschaust?

Wenn jemand nur zuhört, werden sie auch aktiv. Und das macht, dass deine Art zu sprechen SOFORT einen Einfluss auf deinen Hörer hat.

Wenn du vor einer Gruppe von Menschen sprichst, dann schwingen sich die Anderen sozusagen auf dich ein.

Wenn du aktivierend redest, dann fühlen sich deine Zuhörer aktiviert.

Wenn du ruhig und monoton redest, werden sie müde usw.

Du hast als Redner eine große, subtile Macht, die Stimmung Anderer zu beeinflussen.

Wenn wir im Gespräch sind, passen wir normalerweise unsere Art zu sprechen gegenseitig an, so dass das nicht so auffällt.

Wenn du aber als Redner VOR einer Gruppe stehst, dann wirkst DU mit deiner Sprechweise auf Andere ein. Auf ihr Fühlen und letztlich auf ihr Denken.

Ein Beweis hier: Der Klang von Stimmen wirkt physisch auf den Körper.

In dieser US-Studie standen Mädchen im Alter von 7 bis 12 Jahren kurz vor einer Prüfung. Ein Teil von ihnen durfte vor der Prüfung mit seiner Mutter telefonieren. Ergebnis: Diese Mädchen wiesen eine verstärkte Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin auf. Dieses beruhigt u.a. Der Stimmklang einer vertrauten Person kann dich also beruhigen.

Du kannst also mit deiner Stimme Stimmungen erzeugen. Du kannst verführen. Du kannst motivieren. Du kannst überzeugen. Du kannst einschläfern. Mehr dazu in den kommenden Wochen.

 

Deine Stimme bewirkt, ob andere Dir vertrauen.

Die Stimmen von Frauen sind in den letzten Jahrzehnten signifikant tiefer geworden.

Wir essen besser und mehr und sind daher größer gewachsen. Ganz pauschal bedeutet ein größerer Mensch auch ein größerer Kehlkopf. Dies bringt tiefere Stimmen mit sich.

Aber das ist nur die eine Seite.

Die andere Seite ist, dass wer im Beruf „seinen Mann stehen will“, nicht wie ein kleines Mädchen klingen sollte.

Zahlreiche Studien belegen, dass tiefere Stimmen mehr Vertrauen beim Hörer ausstrahlen. Tiefere Stimmen werden als kompetenter und durchsetzungfähiger wahrgenommen. Aber auch als glaubwürdiger. Dies ist ein Grund, warum Nachrichtensprecherinnen (bei öffentlich-rechtlichen Sendern) immer so tief sprechen.

Also: Sprich tief. Sprich mit sehr viel Resonanz. Sprich mit Pausen.

So schaffst du Vertrauen. Aber bitte alles auf deine Art in deinem Wohlfühlspektrum. Mehr dazu in den kommenden Wochen!

 

Fazit

Unsere Stimme ist ein faszinierendes und mächtiges Instrument.

Es lohnt sich die Ohren zu spitzen und genau wahrzunehmen, was uns Andere mit ihrer Stimme zeigen und preisgeben.

Bewusstheit ist aber nur das Eine – Können das Andere.

Es lohnt sich daher auch, mit der eigene Stimme bewusst zu spielen. Das können alle. Auch du. Das ist lernbar.

Deswegen zeige ich dir in den kommenden Wochen hier im Blog Schritt für Schritt je einen Teilaspekt deiner Stimme. Werde ein virtuoser Spieler deines ureigenen Instruments! Dass es sich lohnt, hast du heute hier erfahren.

Also bleib dran. Und zeig dich & sprich. Mit deiner ganzen Stimme, mit deiner ganzen Person.

Steffi

PS:

Wenn du nichts zum Thema Stimme verpassen willst, dann schreib dich gern in den Newsletter ein. Du wirst informiert, wenn es etwas Neues zu lesen oder auszuprobieren gibt!

Dieser Blogbeitrag ist Teil einer Mini-Serie zum Thema “ Die unbewusste Macht der Stimme“.

Bildnachweis:

saxophone with bell and keys on silver background by Sergey Novikov

2 Kommentare

  • Danke für die vielen Infos. So wird doch einiges klar, wie und warum es funktioniert. Sehr interessant. Da werde ich gerne weiterlesen.
    Liebe Grüße
    Sabine
  • Hallo Sabine,
    es freut mich, wenn ich dein Interesse für dieses spannende Thema wecken konnte. Deine Fragen dazu sind willkommen, ich widme ihnen gerne einen eigenständigen Beitrag.
    Ansonsten kommt am Mittwoch der neue Beitrag zum Lesen raus. ;)
    Herzlich, Steffi

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